15. Ausstellung "Connected"
Rede zur vernissage am 06. Oktober 2024
Aus dem Englischen wörtlich übersetzt bedeutet CONNECTED so viel wie zusammenhängend, verbunden, angeschlossen, zusammengehörig.
Zeichnungen, Bilder, Kunstwerke jeglicher Art wollen gezeigt und gesehen werden. Es war schon immer das Bestreben der Künstler/innen Ihre Werke, ihre Botschaft, ihr Können möglichst vielen Menschen nahe zu bringen: … „connected“.
Kann man zum Beispiel mehrere verkleinerte schwarz-weiß Abbildungen eines großen farbigen Werkes herstellen, kann ich diese mehreren Betrachtern zeigen und so das große Werk bekannter machen, es vielleicht schneller verkaufen… besser „connected“!
Ein Bild kann nur einen Käufer haben. Kann ich das Bild vervielfältigen, kann es mehrere Käufer für die Vervielfältigungen geben … noch besser „connected“!
Das wurde erst möglich mit Hilfe der Druckgrafiken wie der Lithografie, der Radierung, dem Kupferstich, dem Linolschnitt, dem Holzschnitt und anderen. Es gelang den Künstlern ihre Werke zu vervielfältigen. Damit brachten sie ihre Ideen, ihre Motive, ihre Botschaft vielen Menschen näher „connected“.
Durch die Erfindung des Buchdrucks (1450 Johannes Gutenberg) konnten Bücher und Grafiken preiswert hergestellt werden. Viele Menschen konnten damals lesen, aber waren dennoch in der Minderheit. Da auch die anderen verstehen sollten, worum es zum Beispiel Martin Luther und der Reformation ging, wurden Flugblätter mit Bildern und Texten in Umlauf gebracht. Grafiken dienten als Buchillustration, als Einzelblätter zur religiösen Erbauung oder in Massen als politische und religiöse Flugblätter sowie als Nachrichtenblätter/Zeitungen.
Druckwerke mit den Ideen der Reformation erreichten riesige Auflagen. Allein im Jahr 1524 sollen fast 2,5 Millionen Flugblätter produziert worden sein. Überall in Europa entstanden Druckereien.
Zur Zeit der Reformation kamen Luthers Schriften trotz Verbotes in und durch katholische Länder und wurden sogar über die Alpen nach Italien auf dem „Weg des Buches“ getragen.
Über 200 Jahre später, 1732, vertrieb der Erzbischof von Salzburg über 20.000 seiner „Untertanen“ aus dem Land, weil sie die Bibel Luthers gelesen hatten und sich gegen die Unterdrückung durch die Geistlichkeit wehrten und ihren Glauben leben wollten. Die meisten von ihnen fanden Zuflucht in Preußen und mussten zu Fuß oder mit Pferd und Wagen die Tausend Kilometer in großen Marschzügen mit bis zu je 800 Leuten und mehr zurücklegen. Sie wurden dank der Flugblätter in den protestantischen Gemeinden und Städten herzlich aufgenommen und weitergeleitet. Das Schicksal der wegen ihres Glaubens Vertriebenen bewegte ganz Europa und viele große Spenden kamen für sie zusammen.
Muss ich gleich Haus und Hof Freund, Eltern, Kinder lassen
So will mich doch der Herr in seine Arme fassen.
Er hält mich väterlich bey seiner rechten Hand
Und führt mich wohl vergnügt in Friedrich Willhelms Land.
Diese Drucktechniken fasst man unter dem Begriff Gebrauchsgrafik (Briefmarken, Filmplakate, Banknoten, Buchgrafik, Werbegrafik) zusammen.
Künstler haben es jedoch bis heute verstanden, die alten Techniken für ihre Kunst zu nutzen, allerdings mit nur wenigen Abzügen, damit die Hand des Künstlers noch zu sehen ist so auch bei unseren Künstlern mit ihren Werken, die unter dem Begriff Künstlergrafik oder Kunstgrafik gefasst werden.
„Verbunden“ sind unsere ausgestellten Bilder durch die Drucktechnik,
auch durch die Künstler, die sich mit unserer Westküste und in ihrer Zeit,
den letzten hundert Jahren (1920-2020), „verbunden“ fühlen.
Sie haben sich dieser Landschaft der Marschen und der Nordsee genähert, sich in sie hineingefühlt, ihre Gestalt, ihre Struktur, ihre Stimmungen zu erfassen gesucht. Das ist mit der Handzeichnung und der Linie, dem ureigensten Gestaltungsmittel und sensiblem Ausdrucksträger, in unmittelbar ausgeführten Skizzen, Entwürfen, Zeichnungen machbar. Mit der Linie, der Zeichnung, kann die schöpferische Phantasie festgehalten werden, auch ein Rückzugsort künstlerischer Freiheit.
Die Linie wirkt allerdings gegenüber dem gemalten Bild abstrakter, weniger sinnlich. Grafik ist vor allem Linienkunst und damit Schwarzweißkunst. Farbe wurde erst mit der Entwicklung neuer Verfahren zu einem zentralen künstlerischen Ausdrucksmittel.
Schon traditionsgemäß fangen wir mit den für unsere Kunstsammlung neu erworbenen Radierungen aus dem Westküsten- und Nordfrieslandzyklus von Wolfgang Werkmeister (*1941) an. Angemerkt sei, dass er unter anderem 2019 den Kunstpreis der Schleswig-Holsteinischen Wirtschaft erhielt, wahrlich kein unbekannter Künstler.
Ende Juli dieses Jahres besuchten wir Herrn Werkmeister bei herrlichem Sommerwetter in seinem Atelier in Bohmstedt. Seine Liebe zur Natur wurde für uns in seinem von ihm angelegten großen Biotop und seinen kenntnisreichen Erzählungen zu dessen „Bewohnern“ sichtbar. Das sieht man natürlich auch in seinen ausdrucksstarken Radierungen im Westküsten- und Nordfriesland- Zyklus. Da wir noch kein Bild vom Künstler hatten, erwarben wir für die Kunstsammlung acht Radierungen aus diesen beiden Zyklen. Damit können wir beispielhaft hervorragende druckgrafische Werke schleswig-holsteinischer Künstler in unserer Ausstellung zeigen.
„... eine geliebte Natur durch souveränes Anwenden moderner Bildnerischer Mittel in die Einheit einer Bilderfindung zu verwandeln, ohne den Ausdruck ihrer elementaren Ursprünglichkeit zu mindern.“
Thomas Gädecke (2000)
Dem können wir uns ganz und gar anschließen und wünschen Ihnen viel Freude beim Betrachten auch all der anderen Kunstwerke unserer 15. Ausstellung,
Ursula und Georg Panskus
(Danach Rundgang mit Erläuterungen zu den Kunstwerken und der Art der vorgenommenen Hängung der Bilder)
Weitere Künstler der Ausstellung:
Friedrich Karl Gotsch (1900-1984) kam ab 1921 zu Studienaufenthalten im Sommer nach St. Peter und blieb nach dem Krieg ganz hier bis zu seinem Tod 1984. Seine expressionistische und schon manchmal abstrakte Malweise wird auch hier in seinen Drucken deutlich.
Diether Kressel (1925-2015) vermischte in seinen Druckgrafiken Realität und Illusion. Dem Betrachter drängen sich dadurch Vermutungen auf und er möchte zu gerne wissen, was sich der Künstler dabei gedacht habe. Farbe setzte er bewusst ein, schaffte mit ihnen eine kritische Distanz.
Erhard Schiel (* 1943), freischaffender Künstler mit eigenem Atelier in der Bövergeest, zog 1986 nach St. Peter und beeindruckte auch hier mit seinen hervorragenden Radierungen. Wir zeigten Beispiele aus unserer Sammlung immer wieder in den verschiedenen Ausstellungen. Bei diesem Thema gehören sie selbstverständlich dazu.
Gerd Uschkereit (1928-2010) war Kunsterzieher am damaligen Gymnasium in St. Peter (1955) und später Professor an der Pädagogischen Hochschule in Flensburg. Er vermachte der Kunstsammlung eine große Anzahl von Bildern mit grafischer Drucktechnik, die von seinen Reisen und dem Sport – hier Bilder vom Eishockey – erzählen.
Carl Bianga (1930-2015) 3 Radierungen
Erich Duggen (1910-1989) 1Linolschnitt
Alexander Eckener (1870-1944) 1 Radierung
Peter Froese (*1939) 2 Radierungen
Jean J. de Grave (1923-2002) 1 Linolschnitt
Horst Janssen (1929-1995) 1 Radierung
Peter Kleinschmidt (1923-2005) 1 Holzschnitt
Ulrich Meggers (1934-2023) 2 Radierungen
Nikolaus Störtenbecker (1940-2022) 1 Druck
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Wolfgang Werkmeister (geb. 12.4.1941 in Berlin) wurde an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart ausgebildet. Prägend war für ihn der Unterricht von Gunter Böhmer in der Fachklasse für freie Grafik und Illustration, bei dem er Handwerk und sein Verständnis von Bildkomposition lernte.
1964 übersiedelte er nach Hamburg. Er arbeitete als Vogelwart auf der Amrumer Odde. 1965 setzte er seine Ausbildung bei Wilhelm M. Busch und Siegfried Oelke (1923–1986) an der Fachhochschule für Gestaltung Hamburg fort, wo er von 1972 bis 1973 als Dozent wirkte.
1966 richtete er seine Radierwerkstatt ein und arbeitete als Pressezeichner. Stipendien ermöglichten 1974 und 1977 Aufenthalte in Worpswede und in der Künstlerkolonie Ekely in Oslo. Studienreisen führten ihn 1983 und 1985 nach Marokko, 1989 nach Papua-Neuguinea, 1995 nach New York, 1999 nach Lanzarote.
Ab 1988 entstand die Radierfolge Hamburg-Zyklus, ab 1994 Radierfolge Westküsten-Zyklus, ab 1999 Radierfolge Lanzarote-Zyklus, ab 2002 Radierfolge Ostküsten-Zyklus.
2001 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Baden-Baden, 2019 den Kunstpreis der Schleswig-Holsteinischen Wirtschaft.
Er lebt in Hamburg und Schleswig-Holstein.
Aus WIKIPEDIA Aug. 2024 zusammengestellt: G. Panskus
Kunsthaus und Kunstsammlung SPO
„Connected“ – Zwei Ausstellungen
Galerie Tobien und Kunstsammlung SPO
zum 15. Mal im Kunsthaus St. Peter-Ording
unter einem Titel
So ist es gewollt, und so hat es sich bewährt in dieser Verbindung unter einem Dach, dem Kunsthaus St. Peter-Ording.
Der Titel der 15. Ausstellung fordert es einfach, daran zu erinnern, dass die Kooperation seitens der Gemeinde St. Peter-Ording mit der Galerie Tobien 2017 auf solide Beine gestellt worden ist:
Für die Kunstsammlung St. Peter-Ording gibt es im Haushaltsplan ein ausgewiesenes Produktkonto. Das ist der Rechtssicherheit wegen erforderlich. Sonst wäre das, was sich in den Jahren seit 2018 entwickelt und bewährt hat, so nicht umsetzbar gewesen.- „Connected“ steht übersetzt für „verbunden“ bzw. „zusammengehörig“.
Aber kann dieser Begriff der gemeinsame Titel von zwei Ausstellungen sein, die eine der Galerie Tobien mit den Standorten Husum und St. Peter-Ording und die andere der der Gemeinde St. Peter-Ording?
Das ist eindeutig mit „Ja“ zu beantworten.- Der Titel passt sogar mehrfach. Dieses Wissen nahmen die zahlreich anwesenden Gäste der Vernissage jedenfalls mit.
Verantwortlich zeichnen für die Galerie Marid Taubert und ihr Team und für die Kunstsammlung der Gemeinde Ursula und Georg Panskus als deren ehrenamtliche Betreuer, wie sie sich selbst bezeichnen. Dass das weitaus mehr ist, wird beim Besuch dieser neuen Ausstellung einmal mehr bewusst.
Eine Ausstellung lebt von den Exponaten und ihren Künstler/innen. Warum dann dieser Vorspann? – Die Kunstwerke müssen vorhanden sein, zum Titel der Ausstellung und zueinander passend ausgewählt sowie ins rechte Licht gesetzt werden. Das ist Aufgabe der Kuratoren. Ihnen gilt wieder einmal eine besondere Anerkennung. Gerade die Hängung der Bilder macht den „Wert“ einer Ausstellung aus. Das wird nun bei „Connected“ besonders bewusst, da es hier auf das „Miteinander“ ankommt. Da sind Akzente zu setzen. Das ist von besonderer Bedeutung, um auch dem Titel gerecht zu werden.
Im Ausstellungsraum der Kunstsammlung SPO wird das z.B. dadurch deutlich, dass zu den fünf Druckgrafiken von Diether Kressel wenig entfernt auf dem Stativ die Farbradierung „Glückliche Stadt“ von Erhard Schiel platziert ist. Zugleich kommt „Farbe ins Spiel“, wie nicht nur hier in Kressels „Falterkasten“. Ebenso befindet sich im „Kabinett“ bei den Bildern von Schiel das „Rosenbild“ von Kressel.
Auf solche Feinheiten wies Georg Panskus hin, als er nach der Eröffnung der Vernissage durch Marid Taubert in die Ausstellung der Kunstsammlung SPO einführte.
Sie hatte den Blick auf die persönliche Verbundenheit der Kunstschaffenden untereinander gerichtet.
Bei Ulf Petermann und Hanna Petermann wie auch Hans Ruprecht Leiß und Levke Leiß sind es jeweils Vater und Tochter. Für die anderen Beziehungen zueinander finden sich entsprechende Hinweise für die Besucher. Man sollte sie wegen des Titels gerne aufmerksam lesen
Sowohl seitens der Galerie als auch der Kunstsammlung sind dieses Mal vornehmlich Druckgrafiken ausgestellt.
Wie bunt und faszinierend die beiden Ausstellungen wirken und gleichzeitig miteinander korrespondieren, das lässt sich bei einem Besuch erleben. Vielleicht entdeckt der eine oder andere gerade durch diese Präsentation von Kunst für sich eine neue Welt des Sehens.
Man möge beim Besuch gern auf die Suche gehen. „Verbindungen“ lassen sich überall ausfindig machen. Nur Zeit sollten sich die Kunstinteressierten lassen, am besten ein zweites Mal kommen. Es lohnt sich!
Beim Betreten des Kunsthauses empfangen den Gast vier Werke Diether Kressels: „Aquarium“, „Schneiderpuppen“, „Reise zu zweit“ und „Falterkasten“. Sie machen „Lust auf Kunst“.
Weitere Werke von ihm und dann von Otto Beckmann, Falko Behrendt, Max Grimm, Manuel Knortz, Levke Leiß, Hans Ruprecht Leiß, Hanna Petermann, Ulf Petermann und Wolfgang Werkmeister versprechen eine spannende und auch humorvolle Kunstreise. Manche Titel allein vermögen dazu mehr als nur ein Lächeln zu zaubern!
Radierungen von Wolfgang Werkmeister weisen in den Raum der Kunstsammlung SPO. Eine hängt direkt über der Tür.
Georg Panskus nahm die Besucher dort zunächst auf eine Reise durch die Druckkunst mit. Ausgehend vom Buchstabendruck in seiner Bedeutung für die Kommunikation, erläuterte er die Vorgehensweisen bis hin zur Radierung mit ihren Möglichkeiten.- Von Prof. Gerd Uschkereit werden drei Siebdrucke zum Thema „Eishockey“ gezeigt. Drucke auf der Basis von Holz- bzw. Linolschnitt hängen von F.K. Gotsch bzw. Nikolaus Störtenbecker und Diether Kressel, so dass auch diese Techniken zu ihrem Recht kommen.
Schließlich wandte er sich der Präsentation der für die Kunstsammlung in diesem Sommer neu erworbenen Radierungen von Wolfgang Werkmeister zu. Sein Augenmerk galt insbesondere der Bedeutung der Helligkeitsstufen.
Wolfgang Werkmeister wie Hans Ruprecht Leiß waren anlässlich der Vernissage nach St. Peter-Ording gekommen. Erhard Schiel hatte gegenüber ihnen den kürzesten Weg. Von seinem Atelier in der Bövergeest ist es nicht weit zur Wittendüner Geest.
Unter den Anwesenden konnte Georg Panskus u.a. Amtsvorsteher Christian Marwig vom Amt Eiderstedt sowie den künftigen Bürgermeister der Gemeinde, Boris Pfau, begrüßen.
Siehe dazu unter www.jb-spo.de
2016 Dez Gemeindevertretung brachte alles auf den Weg
2018 April Kunsthaus Wittendün
2018 April2 Kunsthaus Wittendün feierlich eröffnet! - Kooperationsprojekt von der
Galerie Tobien und der Gemeinde St. Peter-Ording - Kunstsammlung St. Peter-Ording tritt ins Licht der Öffentlichkeit
2024 Mai Kunsthaus und Kunstsammlung SPO – Ausstellg„Landschaft nah und fern“
2024 JulAugSep2 Vernissage am Sonntag, 6 Oktober 2024
Hans Jörg Rickert, 07. Oktober 2024, jb-spo / OrtsArchiv
Georg Panskus
Mit einer für mich wesentlichen Aussage möchte ich beginnen. Vielen von den Jüngeren unter uns muss manchmal wieder bewusstgemacht werden,
dass es eine Zeit vor dem Handy, vor dem Internet oder vor dem Fernsehen gab. Deshalb:
Die Landschaftsmalerei war vor der Erfindung der Fotografie da.
Landschaftsmalerei umfasst die Darstellung von Ausschnitten
unserer Umgebung, die von der Natur „alleine“ oder vom Menschen gestaltet sein kann. Unter Landschaften versteht man das Hochgebirge, die Meeresküste, Kulturlandschaften wie Dörfer, Städte, Park- und
Gartenkunst oder Gewerbe- und Industrielandschaften.
Seit die Maler (Seit die Gesellschaft es zuließ, dass die Maler -) den Schwerpunkt in Richtung weltlicher Themen lenkten, war das
gleichermaßen verbunden mit einer steigenden Wertschätzung der abgebildeten Werte.
Sie versuchten in ihren Bildern die Natur durch genaue Beobachtung einzufangen und so abzubilden, wie sie vorzufinden war (auch in
Stillleben und Blumenbildern). Sie wandten sich der Wirklichkeit ihrer Zeit zu, zum Beispiel der schweren Arbeit an Maschinen, in der Landwirtschaft oder beim Bau von Brücken. Vorher durfte die
Landschaft nur für bestimmte Zwecke gemalt werden, wenn es „religiös erlaubt“ bzw. „in der Gesellschaft akzeptiert“ war. Nun wählte man sein eigenes Malobjekt aus.
Hinzugefügt wurde die subjektive, eigene Interpretation der Welt und die mit persönlicher Handschrift gemalte farbintensive Landschaft. So
ließen die Romantiker den Betrachter ob der Größe, der Gewalt, des Lichts der Natur erschaudern und weckten Sehnsucht nach Ursprünglichkeit. Die Impressionisten malten in der Natur (Pleinair), die
sie in unterschiedlichen Lichtsituationen mit neuen Techniken „leicht und luftig“ wiedergeben wollten.
Gemälde haben auch eine Wirkung, wie Körper sie auf uns haben. Das merkt man spätestens dann, wenn man sie an die Wand hängen will. Einige brauchen Raum um sich herum, andere Gesellschaft.
RUNDGANG
Doch nun zu unseren neuen Bildern! Vier Aquarelle haben wir von Frau Karin Dreyer erworben. Was uns daran so
fasziniert sind die darin erzählten Geschichten.
Hier eine Meeresküste. Im Vordergrund eine umgestürzte, vom Meer entwurzelte Kiefer. Dahinter drei schon ältere, vom ständigen Westwind
gebeugte, die auch bald umzufallen drohen. Dahinter, links auf dem Bild, alleinstehende, noch junge, gerade gewachsene Bäume und hinten rechts, schon weiter in den Dünen, eine Baumgruppe, die sich
wacker zu halten scheint und die Vorboten eines größeren Dünenwaldes sein können. Hier malte die Künstlerin in einem Bild das typische Werden und Vergehen von Bäumen an einer
Meeresküste als Abbild einer Landschaft und als Erzählung ihrer Entstehungsgeschichte unter der besonderen Berücksichtigung vom starken Wind, der Kraft der Wellen und der dadurch
wachgerufenen Gefühle. Das Bild hat die Qualität zum Cover einer gleichnamigen Doktorarbeit. Sehnsuchtsort: Natur
Als ich dieses Bild sah, fiel mir sofort der Weststrand der Halbinsel Darß von Ahrenshoop zum Leuchtturm Darßer Ort
ein.
Das andere Bild zeigt zwei verlassenen Strandkörbe, wirklich verlassen, denn nichts deutet auf eine Benutzung hin. Cover für einen Krimi?
Kommen keine Touristen mehr oder einfach nur Saisonende? Aber so offen, aufgeschlagen lässt man doch keinen Strandkorb zurück und sicherlich nicht gleich zwei. Holt sich der Wind, das Meer, der Sand
diesen Wohlfühlort zurück? Sehnsuchtsort: Strand aber ohne Massentourismus?
Mit jedem dieser Bilder erzählt Frau Dreyer uns eine andere, in sich geschlossene Geschichte. Lassen Sie diese auf sich wirken.
Hier das vielgestaltig komponierte Bild und auf dieser Seite das „federleichte Blumenmeer“ von Max Höppner und Karin Bansen. Federleicht? Kein robuster, dicker Farbauftrag, vielmehr werden die Aquarellfarben locker und leicht angesetzt und/oder weggelassen. Max Höppner malt von der Vase gerade einmal den Rand, damit unser Auge Bescheid weiß, die Vase selber malt er nicht. Die Blumen sind kleine Farbflächen, die sich vom Weiß des Papiers abheben und vom Betrachter zu einer Blüte zusammengesetzt werden müssen. Das Weglassen der Ränder, das Weglassen des durchzogenen Striches bei den Stängeln, das Weglassen der Unterlage, des Hintergrundes, ja das Weglassen der Dichte, ein wenig Schatten nur – federleicht und wir dürfen mit unseren Gedanken die Blüten wieder einfangen, wir könnten den Strauß auch neu zusammensetzen oder sollen wir kräftig pusten, damit die Blütenblätter einzeln davonsegeln?
Eine andere Art des Weglassens hat Karin Bansen gewählt. Sie hat weiße Blüten einfach nicht ganz ausgemalt. Die Umrisse heben sich vom Hintergrund ab, die Ränder der Blütenblätter sind angedeutet. Viele kleine weiße Flächen lockern das Gartenbild zusätzlich auf, so dass auch hier eine heitere, federleichte, frühsommerliche Stimmung entsteht. Auch diese Bilder sind neu in der Sammlung.
Ihr nach vorne gerichteter Blick wird auf die vier Bilder von Ute Martens gelenkt, zwei davon haben wir für die Kunstsammlung erworben. Das größere Bild ist eigentlich eine „Täuschung“. Es zeigt einen großen und einen kleinen Baum sowie eine Sitzbank im Gegenlicht an einem Steilufer zu einem See oder Fluss hin. Jetzt kommt’s: Es zeigt nicht den „Elbblick“, wie der Titel es uns verspricht, aber …Durch den Titel setzt Frau Martens beim Betrachter erst die für sie richtigen Assoziationen frei. „Elbblick“. Wir blicken also durch die Bäume auf die Elbe vom Steilufer aus. Die Wiese im Vordergrund ist dann wohl Teil eines Parks, der von der großen Villa zum Ufer führt. Den Blick auf die Elbe kann ich nun in aller Ruhe allerdings erst auf meiner Bank genießen. Die kleine Bank ist der große Sehnsuchtsort im Bild, erst von dort habe ich den „Elbblick“. Der Titel malt mit!
Ich werde nicht auf alle Bilder eingehen, denn die Farbradierungen von Erhard Schiel sprechen für sich genauso wie die Ölbilder von Erich Duggen (1910-1989), die seine Reiseeindrücke von der Bretagne - 1977,1986, und 1987 sind die Bilder entstanden - widerspiegeln.
Die zwei 1966 neu gemalten Varianten seiner Blumenbilder von 1942, wahrscheinlich in seinem zerstörten Berliner Atelier abhandengekommen, weisen auf den schwierigen Weg des Expressionisten Friedrich Karl Gotsch (1900-1984) hin, dessen Bilderwelt von den Nazis verfemt wurde und der es schwer hatte, nach dem Krieg wieder mit seinen Bildern in die Galerien zu gelangen. Nach dem Krieg lebte er mit seiner Familie hier in St. Peter bis zu seinem Tod 1984.
Die zwei Blumenbilder von Wilhelm Philipp (1906-1993) zeugen von seiner Art der Dekorationsmalerei.
Gegenüber ein schönes Exemplar der Druckkunst von dem norddeutschen Realisten Nikolaus Störtenbecker (1940-2022) und die stimmungsvollen „Herbstblumen“ in Tempera von Heinrich Kuhn (1906-1991).
Die zwei dunkleren Ölbilder von Prof. Uschkereit (1928-2010) überzeugen durch ihre zum Teil expressionistische, zum Thema passende Farbgebung.
Zum Schluss ein Blick auf die drei Bilder von Erich Duggen (1910 -1989). Das Dorf „Nebel auf Amrum“, gemalt 1934, stellt er uns als Bauerndorf vor. Kirche mit Häusern, davor links die große, braune Mühle und in das Bild einführend und den Blick lenkend die gelben Korngarben. Die Landschaft wirkt wie in Szene gesetzt, der Malstil dem damaligen Zeitgeist geschuldet?
Dann das große Ölbild „Wahlstatt“, heute Legnickie Pole, von 1936. Dort muss sich Erich Duggen wohl länger aufgehalten haben, denn ein so großes Bild zu malen, kann auf eine engere Verbindung zur Landschaft, der Stadt, hindeuten. Damals wurde das Kloster, eine eindrucksvolle Barockkirche mit seinen Deckenfresken und berühmten Gemälden, dessen Türme im Hintergrund rechts zu sehen sind, in Preußen als Kadettenschule, unter Hitler als Nationalsozialistische Erziehungsanstalt, später bis Kriegsende als Gefangenenlager genutzt (nachzulesen in Wikipedia). Auch hier eine Darstellung bäuerlichen Lebens, die man dem damaligen Zeitgeist zuordnen kann.
Daneben dann sein 1931 gemalte Bild, das den Blick über die Felder auf Amrum festhält. Diese frische, expressionistische Malweise hebt sich stark von den beiden anderen später entstandenen Bildern ab und zeigt uns wohl den damaligen, jungen, der neuen Malerei aufgeschlossenen Duggen. 1929 nahm er sein Kunststudium in Berlin auf, wo für ihn die expressionistische Kunstauffassung prägend wurde, wie auch Hansjürgen Krähe (1932-2024) berichtete, dessen Kunsterzieher damals zusammen mit Erich Duggen studierte.
Landschaftsbilder können viel über die Landschaft, den Künstler, die Malweise, die politischen Umstände und vieles mehr erzählen, man muss sich nur darauf einlassen.
Meine Frau und ich wünschen Ihnen einen entspannten, anregenden Dialog mit unseren Bildern und viel Freude daran.
„Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ (Karl Valentin)
Einige kleine Hinweise, Anregungen habe ich Ihnen auf diesem Plakat und dem Flyer gegeben. Finden Sie mehr heraus. Erleben Sie, was vom Bild, von den Gedanken der Künstler auf Sie einströmt, was Sie dabei empfinden. Dafür braucht es Zeit. Nehmen Sie sich heute die Zeit oder kommen Sie noch einmal wieder.
Wir danken der Gemeinde, die diese Sammlung ins Leben gerufen hat.
Der Eintritt ist frei.
Kunsthaus und Kunstsammlung SPO
„Landschaft nah und fern“
14. gemeinsame Ausstellung von Galerie Tobien und Kunstsammlung Gemeinde St. Peter-Ording
Die Eröffnung der 14. Ausstellung - Sonntag, 28. April 2024 - im Kunsthaus St. Peter-Ording in der Wittendüner Geest war ein Ereignis. Das muss einfach so gesagt werden.
Inzwischen hat es sich herumgesprochen:
Das Kunsthaus St. Peter-Ording vermittelt Kunsterlebnisse.
Für die Auswahl der Bilder und ihrer Künstler und Künstlerinnen zeichnen Galeristin Marid Taubert seitens der Galerie Tobien in Husum und St. Peter-Ording und ihr Team sowie Georg und Ursula Panskus seitens der Kunstsammlung St. Peter-Ording verantwortlich. Sie sind ehrenamtlich tätige Kuratoren.
„Landschaft nah und fern“ in unterschiedlichster Form wird den Besuchern des Kunsthauses bis zum 22. September 2024 zu den Öffnungszeiten der Galerie Tobien jeweils Mittwoch bis Samstag von 13 bis 17 Uhr präsentiert.
Allein die Einträge im Gästebuch der Kunstsammlung SPO zu dieser Ausstellung machen schon Lust, z.B.
„Was für eine gelungene Ausstellung, und mal wieder perfekt gehängt. Thematisch wunderschön zusammengestellt. – Kompliment an die Verantwortlichen im Kunsthaus SPO und natürlich an die Künstler, die dies ermöglicht haben.“
„Watt bei Lüttmoorsiel“ von Mathias Meinel und dazu die drei kleineren Gemälde von Harald Feyen empfangen die Besucher beim Eintritt in das Kunsthaus und somit in den Raum der Galerie Tobien. Sie zeigt wieder einmal Kunst in ihrer Vielfalt.
Thematisch an die vorangegangene Ausstellung „Norddeutsche Realisten“ geknüpft, wird das Motiv der Landschaftsdarstellung durch die Genres Aquarell, Grafik und Fotografie erweitert.
Zu sehen sind u.a. Aquarelle von Maneis und Jens Radeloff, Gemälde von Harald Feyen, Mario Malfer, Ute Martens, Mathias Meinel und Wolfgang Werkmeister, Grafik von Georges Laporte und Fotografie von Mario Reinstadler.
Auch den kleinen Pappmaché-Figuren von Claudia König darf man nebenbei gerne mehr als ein kurzes Schmunzeln
gönnen.
Diese vielleicht doch eher streifend, zieht hinter der geöffneten Doppeltür der Ausstellungsraum der Kunstsammlung SPO die Blicke an.
Oder sind es ganz hinten links die „Silbermöwe“, an der Stellwand rechts ein wenig davor die beiden Bilder „Elbblick“ mit dem Baum im Gegenlicht und der
kleinen Bank, daneben der „Blick nach Westen“ mit dem Wolkenhimmel über dem Vollerwieker Deich? Alle drei von Ute Martens. Beim Näherkommen aber
betrachtet man vielleicht erst die „Blumen“ von Max Höppner und Karin Bansen. Ihnen gegenüber hängen die neu für die Kunstsammlung erworbenen Bilder von Karin Dreyer. Und dann fällt bestimmt auch das 1955
von Annemarie Ewertsen geschaffene Aquarell „Landschaft“ ins Auge.
Die Kunstsammlung der Gemeinde zeigt Interpretationen der regionalen Landschaft. Zu den bereits genannten Künstlern sind Bilder ausgestellt von Erich Duggen – das ist Verpflichtung -, Erhard Schiel, Prof. Gerd Uschkereit, Wilhelm Philipp, Friedrich Karl Gotsch, Nikolaus Störtenbecker, Heinrich Kuhn und Georg Panskus.
In einem Rundgang hat G. Pankus alle Künstler feinsinnig anhand ihrer Werke gewürdigt, war ihrer Malweise auf die Spur gegangen und
erzählte Bildergeschichten.
Wie mächtig ein Zaun und wie klein ein Haubarg sein können, offenbarte er genauso wie das mögliche Entstehen
einer Betitelung.
„Landschaft nah und fern“ sind eine Freude für die Sinne und machen
Lust auf mehr, ob als „Fensterblick“ in die Eiderstedter Landschaft, als „Saint-Malo“ in der Bretagne oder als Blumengemälde.
Galeristin Marid Taubert hatte die 14. gemeinsame Ausstellung eröffnet. In ihrer Laudatio auf die Künstlerinnen und Künstler stellte sie in einem kurzen Abriss die Entstehung der Landschaftsmalerei vor. Diese stieg im 18. Jahrhundert zu einem eigenen Genre auf.
Der rasche Anstieg der Urbanisierung im Zeitalter der Aufklärung und der Industriellen Revolution veränderte die Sicht auf Landschaft und Natur. Heute, im Zeitalter des Klimawandels und der Künstlichen Intelligenz erfreue sie sich erneut eines besonderen Interesses. Stets haben sich Generationen von Künstlerinnen und Künstlern der Darstellung intakter Natur verschrieben. Dadurch behalte sie ihre Aktualität und mahne unerschütterlich an den Erhalt der natürlichen Lebensräume.
Jedem Künstler und jeder Künstlerin widmete sie sich mit einem prägnanten Satz. Zu den bereits genannten Künstler/innen sind Bilder ausgestellt von Stephanie Entrich, Detlef Rhodius, Nadine Dietrich, Ole West und Folkert Rasch.- Für Mathias Meinel formulierte sie es so: „Seit ich die Bilder von Mathias Meinel kenne, betrachte ich Ackerfurchen und Pfützen mit neuen Augen.“
Besser lässt sich das nicht sagen. Der Gast des Kunsthauses SPO gönne deshalb dem „Eingangsbild“ einen vertiefenden Blick. Aber dazu dann auch denen von Harald Feyen. Die würden, mit Abstand betrachtet, ja schärfer.
Im Rahmen ihrer Ausführungen brachte sie bewusst ihre Freude über die gelungene Kooperation mit der Gemeinde St. Peter-Ording, vertreten durch Ursula und Georg Panskus, zum Ausdruck. Hier sei im Miteinander etwas gewachsen, das dem Ort über das touristische Geschehen hinaus diene.
Gäste kommen u.a. auch extra deswegen ins Kunsthaus nach St. Peter-Ording.- Das zeigte sich erneut anlässlich dieser 14. Vernissage mit ihrem überaus großen Anteil Auswärtiger.
Hans Jörg Rickert, 04. Mai 2024, jb-spo
Siehe dazu unter www.jb-spo.de – Kunstsammlung der Gemeinde
13. Ausstellung KUNSTSAMMLUNG SPO
„Eiderstedt - achtern Diek“
Als wir das Thema zu diesen beiden Ausstellungen absprachen hat die Galerie Tobien mit „Norddeutsche Realisten“ nicht nur den Blick auf deren Malweise, sondern auch den Blick auf unsere norddeutsche Landschaft gelenkt.
Wir sind spezieller und schauen auf unsere Landschaft Eiderstedt und dort „achtern Diek“, also nicht auf das Vorland, die Strände, das Watt und das Meer.
In der 13. Ausstellung der Kunstsammlung in St. Peter-Ording wird die Frage nach der Identität, die Frage nach dem, was Heimat, was „Zuhause“ ausmacht und ausmachen kann, gestellt:
Uwe Herms (1937-2023) schrieb 1996 in seinem Buch „Im Land
zwischen den Meeren“ über Eiderstedt:
„Wenn ich ehrlich sein soll:
Zu sehen gibt es vor meiner Haustür beinahe gar nichts.
Die Gegend ist nämlich platt wie ein Topfboden, allerdings mit ochsenaugenpfannenartigen Eintiefungen. Sie heißen bei uns „Köge“ und
sind von altgewordenen Deichen gerahmt.
Die Welt darüber ist hier hauptsächlich Himmel, also Luft bis Sturm
und Dunst bis Wolken. Alle sensationellen Anblicke wie windschiefe
Bäume, hingehäufelte Gehöfte, Kirch- und Leuchtturmspitzen sind
weit weg und ziemlich dünn gesät.
Ringsum riecht es nach Meer, aber das sehe ich nicht.“
Uwe Herms, Im Land zwischen den Meeren, Reisen in das unbekannte Schleswig-Holstein Rasch und Röhring Verlag, 1996
Ist das so?
Erst spät nach dem ersten Weltkrieg entdeckten Maler unser St. Peter-Ording. Ab 1921 kommen Friedrich Karl Gotsch mit seiner damaligen Malerkollegin Hilde Goldschmidt und Malerkollegen Hans Meyboden (alle drei Meisterschüler von Oskar Kokoschka) für kürzere Aufenthalte nach St. Peter.
Von 1923 stammen die Aquarelle (Drucke), die wir von Friedrich Karl Gotsch in der Sammlung haben, auf denen die Dünen, der noch junge Wald und wenigen Häuser der Dörfer St. Peter und Ording zu sehen sind. Von 1926 ist das einprägsame Ölbild von seiner Malerkollegin und damaligen Gefährtin Hilde Goldschmidt, dass „Die große Düne“ und St. Peter zeigt.
Eiderstedter Motive - das ist die „normale kleine Kate“, der abseits gelegene Haubarg in der Ferne, die Fennen, die Sielzüge, der Sandweg, die kleinen Kiefern, die Heide, die Binnendünen, die Teile unserer weiten, dünn besiedelten Landschaft sind. Das ist das Besondere unserer Landschaft, einer Küstenlandschaft, die zu großen Teilen unter dem Meeresspiegel liegt, die mühsam über Jahrhunderte hinweg gesichert, eingedeicht wurde. Es ist aber auch eine Landschaft im Sinne einer Verwaltungseinheit, die sich immer wieder einigte und bereit war, Geld zu zahlen, um sich ihre Privilegien zu erhalten. Die großen Höfe, der Handel und die Kirche - eigene Propstei - bestimmten das Leben, nicht Adlige.
Dünen, Vorland, Sandstrand, Meer, der weite Horizont mit dem besonderen Licht der Küste waren bevorzugten Malmotive. Wer länger verweilte, wandte sich wohl auch der Landschaft und den Menschen zu.
Eiderstedt wurde kulturell und ökonomisch von den einwandernden Friesen beeinflusst. So wurde das Bauernhaus der Westfriesen hier zum großen Haubarg geformt, der die Besucher staunen lässt. Das war und ist auch heute noch ein typisches Malmotiv – Eiderstedt eben.
Das Vieh auf den Fennen, oft „Pensionsvieh“, also nicht eigenes Vieh, war durch Gräben und Sielzüge gut zu halten und wuchs in kurzer Zeit zu eindrucksvollen und geldbringenden Tieren heran.
Eindrucksvoll malt und beschreibt Dieter Staacken die großen Tiere, die gerne erhöht auf dem Aushub der Gräben und Sielzüge, am Graben selber mit dem vom Wind gefetzten Reet stehen, friedlich zurückglotzen und mit ihrer Kraft nicht zu unterschätzen sind. Der Kälte, dem Wind und Regen drehen sie gelassen den Rücken zu, Tiere in einer Marschlandschaft.
„IS SUN OSS EERST MOL AN’T LURN
KANN DAT’N GANZE TIETLANG DUERN
BESÜNNERS SO AS HIER IN’T GRAS
OP DAT BILD ÜNNER GLAS“
2019 DIETER STAACKEN
Ist so ein Ochse erst mal am Lauern,
kann das ne ganze zeitlang dauern.
Besonders so wie hier im Gras
auf dem Bild unter Glas.
2019 Dieter Staacken
Man merkt sofort: Hier malt und erzählt einer, der sein Eiderstedt liebt. Pflanzen und Tieren weist er ihren Platz in seinem Kosmos Eiderstedt zu. Einsame, große Haubarge, windgebeugte Büsche und Bäume, sturmgeprüftes Reet, entwässernde Gräben und Sielzüge, die für den Deicherhalt so wichtigen Schafe, die bis zum Herbst heranwachsenden starken Ochsen, der weite Himmel, ...
Dieter Staacken ist nicht durch Zufall zum Ehrenbürger seiner Stadt Garding ernannt oder zum Träger des Hans Momsen Ringes des Kreises Nordfriesland auserwählt worden.
Hier ist einer, der von innen wie von außen auf seine Heimat schaut, mal berührt, mal distanziert von seinem Eiderstedt mit Bild und Wort erzählt.
Als wir im Haus Peters die beiden großen Bilder sahen, wussten wir sofort, dass sie in die Kunstsammlung gehören und wo wir sie in dieser Ausstellung hängen würden.
Erich Duggen brauchen wir nicht mehr vorstellen. Erstaunlich ist jedoch, dass wir auch hier wieder vier Ölbilder von ihm hängen konnten, die das damalige St. Peteraner Dorfleben, das Melken auf der Weide, einen entfernt liegenden Haubarg im Winter expressiv und den Blick aus dem Fenster auf die Nachbarhäuser mit warmen Farben ausdrucksstark zeigen. Erich Duggen wurde in St. Peter sesshaft und konnte auch während des Krieges in längeren Zeitabschnitten hier malen.
Zur Landschaft Eiderstedt gehört auch ihre Geschichte, von der wir nur die nach dem zweiten Weltkrieg erwähnen, als Eiderstedt für kurze Zeit ein einziges, großes Gefangenenlager, dann auch Zufluchtsort für Geflüchtete und Vertriebene wurde. Hier erinnern uns die einfühlsamen Kinderportraits von Ingeborg Danielsen an die schwere Zeit der Nachkriegsjahre, als Kriegswaisenkinder nach St. Peter kamen und hier mühsam „aufgepäppelt“ wurden und Vertrauen, Zuversicht und Freude in einer rauen und doch schönen Landschaft erfahren durften.
in den 1980iger Jahren „stichelte“ der Aktionskünstler Hein Hoop schon seine spezielle Sicht auf die Haubarge und Katen Eiderstedts in die Kupferplatten.
Weil er sie anders, auch mit menschlichen Zügen, sah, verblüffte das manche Betrachter, brachte sie zum Lachen oder Nachdenken und schon waren seine Radierungen verkauft.
Drei Radierungen als Leihgabe des Museums der Landschaft Eiderstedt und eine aus unserer Sammlung sind zu sehen.
Künstler/innen aus Hamburg entdeckten Eiderstedt für sich und blieben im Sommer oder ganz hier.
So hat die in Hamburg und Eiderstedt lebende und malende Künstlerin Ursula Schultz-Spenner „Vor ihrer Haustür“ im Wasserkoog ihre Landschaft mit Sielzug „Blick auf Wasserkoog“ und den weitergehenden Blick auf „Wasserkoog-Norderdeich“, mit wunderbar sommerhellen Farben expressiv eingefangen. Zum „Haubarg Stufhusen“ gehören natürlich die anrührenden, liebevoll gemalten, springlebendigen „Schafe Westerhever“.
Ebenso spiegelt Max Höppner die Eiderstedter Landschaft in seinen Aquarellen wider, wie im großen Reetdach, das sich schützend über die Menschen und das Vieh zu wölben scheint. Sommerliche Motive fängt er wunderbar empfindsam ein.
Wenn ich eine Landschaft nicht sehe, aber dennoch mit wohligem Gefühl weiß, dass sie da ist, dann kann es mein „Zuhause“, meine Heimat sein.
Der Begriff „Zuhause“ hat unter dem Eindruck der Pandemie für viele wieder eine Bedeutung erhalten. Das wird uns auch bewusst, wenn wir die Nachrichten über Kriege und Naturkatastrophen wahrnehmen, in denen Menschen ihr Zuhause verloren haben und auf der Flucht sind.
Weitere Künstler dieser Ausstellung sind Carl Otto Fey, Horst Janssen, Elke Krähe, Fritz Kronenberg, Hans Olde d.J., Ulrich Meggers, Julia Ehlers und Karin Dreyer.
Es lohnt sich also ein Blick auf unser „Zuhause“:
Eiderstedt – achtern Diek
Ursula und Georg Panskus 1.10.2023
Ausstellungseröffnung als Kunsterlebnis
„Norddeutsche Realisten“ und „Achtern Diek“ beeindrucken auf besondere Art
Das Kunsthaus St. Peter-Ording ist eine Anlaufadresse geworden, die immer wieder neu zu überraschen versteht.* Jetzt war es die Eröffnung der 13. gemeinsamen Ausstellung von Galerie Tobien und Kunstsammlung St. Peter-Ording.
Zu den vielen bekannten Gesichtern fand sich wieder einmal eine große Anzahl Interessierter ein. Der Kreis derer, die den Einladungen zu den Ausstellungen folgen, scheint dabei immer größer zu werden.
In der Galerie Tobien ist eine repräsentative Auswahl der Norddeutschen Realisten zu sehen. Der Kunsthistoriker Dr. Thomas Gädeke und ehem. Leiter der grafischen Sammlung Schloss Gottorf führte in diese Ausstellung ein.
Gezeigt werden Werke von Friedel Anderson, Frauke Gloyer, Meike Lipp und Ulf Petermann und
natürlich Nikolaus Störtenbecker, dem Begründer der Künstlergruppe. Bilder von Tobias Duwe, Mathias Meinel, Hanna Petermann, Till Warwas und Corinna Weiner vertreten dazu die jüngere Generation.
Georg Panskus, der Kurator für die Kunstsammlung der Gemeinde, eröffnete im zweiten Raum hinter der stets geöffneten Doppeltür die Ausstellung „Eiderstedt - achtern Diek“.
Gezeigt werden Arbeiten von Dieter Staacken, Erich Duggen, Max Höppner, Ursula Schultz-Spenner und weiteren Künstlern der Kunstsammlung. Alle in ihr vertretenen Kunstschaffenden haben eine Beziehung zu Eiderstedt, indem sie hier leben und wirken bzw. das so gewesen ist. So ist die Sammlung angelegt bzw. entstanden. Das ist für eine Kommunalgemeinde wohl einmalig.
Wenn auch der Platz in beiden Ausstellungsräumen nicht gerade reichlich vorhanden ist, so ist die Anordnung der möglichen Stellwände und vor allem die Hängung der Bildwerke eine Augenweide. Die Bilder werden ins richtige Licht gesetzt.
Das fällt erneut auf und wurde gerade auch von anwesenden Künstlerinnen und Künstlern wie Ursula Schultz-Spenner, Dieter Staacken und Max Höppner anerkennend zum Ausdruck gebracht. Eine solche Stimmigkeit macht Ausstellung aus und die ist im Kunsthaus St. Peter-Ording gegeben.
Georg und Ursula Panskus machen das in jahrelang geübter Teamarbeit, beginnend mit der Auswahl und Zusammenstellung der Bilder sowie deren Hängung, dazu dann der Gestaltung der Plakate mit den zugehörigen Texten. Den Vortrag macht er, der selbst mit viel Feinsinn malt und weiß, was es heißt, Kunstschaffende rechtschaffen zu würdigen.
Bewusst haben beide für die 13. Ausstellung den Blick „achtern Diek“, vom Deich in die Eiderstedter Landschaft gewählt: „Achtern Diek is man op Eiderstedt tohuus.“ – Das ist nicht nur Wissen, das ist auch Gefühl. So rücken sie mit den Bildern „die Frage nach der Identität, die Frage nach dem, was Heimat, was Zuhause ausmacht und ausmachen kann“, in den Blick.
In seiner Rede zitiert Georg Panskus dazu den Literaten Uwe Herms (1937-2023). Dieser schreibt in seinem Buch „Im Land zwischen den Meeren“ über Eiderstedt: „Wenn ich ehrlich sein soll: Zu sehen gibt es vor meiner Haustür beinahe gar nichts.“
Was es aber auf Eiderstedt eben doch alles zu sehen gibt, vermitteln jetzt die Bilder der Ausstellung: Den „glotzenden Ochsen“ auf dem einen Bild von Dieter Staacken. Aber die beiden Schafe und die flache Landschaft werden dabei auch nicht vergessen! Oder die beiden „Blicke auf Wasserkoog“ von Ursula Schultz-Spenner bzw. die drei Aquarelle von Max Höppner mit der Kirche von Uelvesbüll und den beiden Reetdachhäusern von Westerhever bzw. vom Herrendeich. Und wie unterschiedlich Hein Hoop Haubarge sehen konnte, erfährt der Besucher ebenso.
Zuvor hatte Dr. Thomas Gädeke in die Ausstellung im Raum der Galerie eingeführt, ausgehend von der Entstehung der Gruppe der „Norddeutschen Realisten“ um Nikolaus Störtenbecker (1940-2022). Dieser war anlässlich des Treffens einer Gruppe von Kunststudenten um den Künstler Manfred Bluth (Berlin, 1926-2002) dazugestoßen und wurde einer der führenden Köpfe der Norddeutschen Realisten, einer losen Malervereinigung.
Gemalt wird vor Ort. Realismus sei aber nicht als etwas „genau Abgezirkeltes“ zu sehen. „Die Künstler verwandeln das Motiv in ihre Handschrift und versehen es, ihrem Temperament gemäß, mit einem Zauber.“ So etwa formulierte es Thomas Gädeke, der die Malweise in den zeitlichen Bezug stellte, die heutigen Gegebenheiten mit dem notwendigen Blick der Achtsamkeit gegenüber der Natur zu betrachten. Die Künstler verschafften uns mit ihren Bildern eine „verdichtete Naturbegegnung“, die unser Leben als „Kraftquelle“ zu begleiten vermag.
Annemieke Heinze, Leiterin der Filiale der Galerie Tobien in St. Peter Ording, zeichnete hier mit ihrer glücklichen Hand für die Hängung verantwortlich.
Bevor der Gast der beiden präsentierten Ausstellungen das Kunsthaus in der Wittendüner Geest dann verlässt, möge er doch dem Eingangsbild von Mathias Meinel noch einmal einen längeren Augenblick gönnen. Der Kreis von den „Norddeutschen Realisten“ zu „Eiderstedt – achtern Diek“ schließt sich.
Bis zum 7. April 2024 ist die 13. Kunstausstellung zu den Öffnungszeiten der Galerie Tobien im Kunsthaus SPO zu sehen.
* HINTERGRUND
Im Dezember 2016 war die Gemeindevertretung noch sehr vorsichtig bei ihrer Zustimmung gewesen, diese Kooperation Wirklichkeit werden zu lassen. Fast prophetisch hatte der damalige Bürgermeister Rainer Balsmeier diese Möglichkeit „als Glücksfall für St. Peter-Ording“ bezeichnet. Heute ist diese Prophezeiung offenkundige Realität. Bereits im Frühjahr 2018 konnte das Kunsthaus mit der ersten Ausstellungseröffnung starten.
Siehe unter www.jb-spo.de
2016 Dez Gemeindevertretung brachte alles auf den Weg
2018 April Kunsthaus Wittendün feierlich eröffnet! - Galerie Tobien und die Kunstsammlung der Gemeinde St. Peter-Ording stellten sich vor
Hans Jörg Rickert, 02. Oktober 2023, jb-spo